Die Entstehung des Kendo

Kendo ist eine japanische Schwertkunst mit langer Tradition. Sein Entstehen kann weit vor dem 9. Jahrhundert n.Ch. vermutet werden. Japanische Mythen, Heldenepen und Romane über die Kriegskunst lassen vor uns ein Bild entstehen, das über den heutigen Sport hinausgeht. Damals war Kendo eine reine Fechtkunst. Kämpfe wurden mit der Vorform des Katanas, dessen Klinge gerade verlief, ausgetragen. Mit diesem Schwert wurde, ähnlich wie in Europa, gestoßen, gestochen und geschlagen. Erst später kristallisierte sich sich die Kunst des Schneidens heraus. Voraussetzung hierfür war allerdings, dass das Katana leicht gebogen war. Als Zeitraum hierfür vermutet man das 9. Jahrhundert. Erst jetzt nahm Kendo, damals auch "Heihô", "Ken-Jutsu" oder "Geki-Ken" genannt, seinen eigentlichen Anfang.

 

Kendo wurde gegen Ende der Muromachi-Zeit (15.Jd) systematisiert. Bis dahin standen eine Vielzahl von Techniken nebeneinander. Diese Systematisierung begünstigte auch die Gründung erster Schulen, dabei z.B. die Shinto-Ryu, Nen-Ryu, Chujo-Ryo und Kage-Ryu. Grundlagen zur Ausführung waren die traditionellen Kata-Formen, die mit dem Katana oder Bokuto (Holzschwert) exerziert wurden. Der Trainingsraum war das Dojo. In der Tokugawa-Zeit (17. Jh. n. Chr.) diente Kendo in erster Linie der Ausbildung der Ritter, den Samurai. Damals trat dem Kendo der Gedanke des "Bushido" (Weg des Kriegers/ Gefolgsmannes) bei. Bushido ist Kern der japanischen Kulturgeschichte. Neben die Übung der reinen Technik trat die Ausformung einer geistigen Kraft. Das bedeutete für die Erziehung des Samurai-Ritter die Erlangung moralischer Ziele wie Menschenliebe (Zin), Gerechtigkeit (Gi), Höflichkeit (Rei), Klugheit (Chi) und Glaube (Chin). Zu dieser Zeit ging Kendo eine enge Verbindung mit den Lehren von Buddhismus und Konfuzianismus ein.

 

Das Kendo wie man es heute kennt wurde Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt. Chuzo Nakanishi aus der Itto-Ryu-Schule und Shirozaemon Naganuma aus der Zikishinkage-Ryu-Schule stehen für die Entwicklung der Kendo-Rüstung. Diese besteht aus Men (Helm), Kote (Handschuhe), Do (Brustpanzer) und Tare (Hüftschutz). Hinzu kommt das Fechtschwert aus Bambus, das "Shinai". Das Kamp- und zugleich Wettkampf-Training bestand jetzt nicht mehr nur aus der Übung der Kata-Formen, sondern es traten zunehmend sportliche Regeln hinzu. Die Meiji-Restauration (1868-1912) bewirkte große Veränderungen in Japan. Das Land modernisierte sich und öffnete sich nach außen. Die Klasse der Bushi (Ritter/Samurai), deren Privileg es war, Kendo auszuüben, verlor an Ansehen und Rang. Zeitgleich mit der Restauration verlor Kendo sein Ansehen. Es galt als überholt und in den Traditionen erstarrt. An einigen wurden sogar Kendo-Lehrer, die inflagranti beim Kendo-Unterricht gefasst wurden, verhaftet. Die neue Zeit forderte neue Ziele. Das Wesen der Samurai galt als veraltet. Die Industrialisierung in Japan begann. Das traditionelle Klassensystem wurde abgeschafft, die Samurai verloren ihren Rang in der Gesellschaft. Ihr bisheriges Ansehen schwand. Im Jahre 1876 mit dem Gesetz des "Haitou-Rei"wurde ihnen das Tragen von Schwertern untersagt. Das führte zu Aufständen der Samurai, die aber blutig niedergeschlagen wurden.

 

Während der Meiji-Zeit war Japan jedoch in zwei Kriege verwickelt, gegen China 1894 und Rußland 1904. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen mit außen blühte japanisches Gedankengut wieder auf: 1896 wurde der erste japanische Budo-Bund, "Dai Nihon Butoku Kai", gegründet. 1911 führte man Kendo erstmals als offiziellen Schulsport für alle Gymnasien ein und legte damit den Grundstein für das moderne Kendo.

 

1912 wurden durch den japanischen Budo-Bund die damaligen Kata-Formen reduziert und vereinheitlicht. Es entstanden die noch heute geübten 10 Grundformen, die Nihon-Kendo-Kata. Allmählich wurde Kendo zum Nationalsport.

 

Während des 2. Weltkrieges wurde Kendo mißbräuchlich in den Dienst des Militarismus gestellt. Der Geist des Kendo sollte für die kriegerischen Aktivitäten genutzt werden und die Staatstreue fördern. Zu diesem Zweck wurde es 1941 zum Hauptpflichtfach für alle männlichen Schüler ab der 5. Klasse. Aber auch alle wehrfähigen Männer wurden verstärkt im Kendo ausgebildet, damit sich ihre Kampfeslust steigere. Die militärischen Ausrichtung hatte zur Folge, daß die eigentlichen Ideen des Kendo in den Hintergrund traten.

 

Das änderte sich jedoch nach dem 2. Weltkrieg. Als Verlierer mußte Japan 1945 ein Besatzungsstatut der Amerikaner hinnehmen, welche die Ausübung des Kendo als "Wurzel des Militarismus" verbaten. Auch der japanische Budo-Bund "Dai Nihon Butoku Kai" wurde wegen der Gefahr, daß durch ihn das Nationalbewußtsein wieder gestärkt werden könnte, verboten. Insgeheim ist Kendo jedoch weiter praktiziert worden.

 

Mit dem Friedensvertrag im Jahre 1951 und der damit verbundenen Wiedergewinnung der Unabhängigkeit fiel dieses Verbot weg. Im Oktober 1952 rief man den neuen japanischen Kendo-Bund "Zen Nihon Kendo Renmei" als Sektion des japanischen Sportbundes "Nihon Taiiku Kyokai" ins Leben. Vom Staat wurde Kendo zunächst jedoch sehr zurückhaltent gefördert. Als Schulsport wurde es erst 1953 wieder eingeführt und an der Gymnasialstufe als Wahlfach angeboten. Allerdings verfügte das japanische Kultusministerium die Umbenennung von Kendo als Schulsport in "Shinai-Kyogi" (Shinai-Sport). Erst 1957 durfte Kendo wieder mit Kendo betitelt werden, einige Jahre später wurde es dann wieder zum Budo- Pflichtfach: 1962 an der Mittelstufe, 1963 an der Gymnasialstufe. Erstmals konnte man nun Kendo auch an der Universität in Theorie und Praxis lernen.

 

Nachdem Kendo seit der Meiji-Zeit diese wechselvolle Geschichte durchlaufen hatte, war es im eigenen Land nun so rehabilitiert und gefestigt, daß man damit begann, Kendo über den Schulsport hinaus auch als Vereinssport zu fördern. Auch Kinder und Frauen begannen nun, Kendo zu erlernen. Darüber hinaus wurde Kendo auch außerhalb Japans immer populärer und von hunderttausenden Aktiven in zahlreichen Ländern praktiziert. Diese Internationalisierung fand u.a. ihren Ausdruck in den Weltmeisterschaften, die alle drei Jahre von der IKF (International Kendo Federation) organisiert werden. Inzwischen gehen Millionen Menschen auf der ganzen Welt den Weg des Kendo.

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